Du bist hier: Referate Datenbank | Latein
| Cicero, Marcus Tullius: Anklage gegen Verres
Cicero, Marcus Tullius: Anklage gegen Verres
Cicero: Anklage gegen Verres, Buch IV
27] Ich komme nun nicht schon zu einem Diebstahl,
nicht zu einer Habgier, nicht zu einer Begierde, sondern zu dieser Art von
Verbrechen, in der mir alle Sünden inne zu wohnen scheinen. In dieser
werden die unsterblichen Götter gekränkt, die Ehre und der Ruf des
Namens des römischen Volkes geschmälert, die Gastfreundschaft
geschmälert und verraten und alle befreundeten Könige und alle
Völker, die unter deren Macht stehen, entfremdet. Ihr wißt ja, dass
die Syrischen Könige, die jungen Söhne des Königs Antiochus,
neulich in Rom waren. Sie waren nicht wegen des syrischen Königreiches
gekommen, denn dieses hatten sie unangefochten von ihren Vätern und Ahnen
geerbt, sondern weil sie glaubten, dass das ägyptische Reich ihnen und
ihrer Mutter Selene zugehöre. Nachdem sie aus Termingründen abgewiesen
worden waren und ihr Anliegen nicht mit dem Senat haben besprechen können,
reisten sie wieder in ihr ererbtes Königreich Syrien zurück. Der eine
von ihnen, Antiochus, wollte über Sizilien reisen und kam daher nach
Syrakus, als Verres Prätor war. Hier glaubte Verres, dass ihm sein Erbe
zugekommen sei, weil derjenige in sein königliches Reich gekommen war, von
dem er glaubte und gehört hatte, dass er viel Prächtiges mit sich
brächte. Dem Mann schickte er ziemlich reichlich Geschenke, die im Haus von
Nutzen sind, nämlich Öl und Wein, so viel er für richtig hielt
und auch vom Weizen, was genug sein könnte, von seinen
Steuereinkünften. Des Weiteren lud er den König selbst zum Essen ein.
Auch schmückte er den Speiseraum herrlich und großartig aus. Er
stellte von dem auf, was er reichlich hatte: viele schöne silberne
Gerätschaften/Bestecke. Denn er hatte es noch nicht zu goldenen
Gegenständen gebracht. Er sorgte dafür, dass das Gastmahl mit Allem
ausgestattet war. Kurz, der König ging so weg, dass er glaubte, Verres sei
sehr reich und er selbst sei ehrenvoll empfangen worden. Er selbst lud
seinerseits den Prätor ein, stellte alle seine Schätze auf, viel
Silber und nicht wenige Becher aus Gold, die geschmückt waren mit
glänzenden Edelsteinen, wie es bei Königen, vor allem in Syrien,
gebräuchlich ist. Es gab auch ein Weingefäß und eine
Schöpfkelle aus einem sehr großen, ausgehöhlten Edelstein
(Achat?) mit einem goldenen Griff, von dem ihr, wie ich glaube, Quintus Minucius
habt sprechen hören, einem vertrauenswürdigen und ernst zu nehmenden
Zeugen. Verres nahm jedes Gerät in seine Hände, lobte und bewunderte
es: der König freute sich, dass die Einladung dem Prätor des
römischen Volkes angenehm war. Nach dem Weggehen dachte Verres
selbstverständlich an nichts anderes, als auf welche Weise er den
König ausgeraubt und ausgeplündert aus der Provinz wegschaffen
könnte. Verres schickte und ließ um die schönsten Geräte
bitten, die er bei ihm gesehen hatte. Er sagte, dass er sie seinen
Kunstschmieden zeigen wolle. Der König, der ihn nicht kannte gab ihm diese
ohne irgendeinen Verdacht (zu schöpfen) sehr gerne. Er (Verres) schickt
auch noch jemanden, um nach der Schöpfkelle aus Edelstein zu fragen. Er
wolle sie genauer anschauen. Auch sie wird ihm geschickt.
28] Und jetzt hört noch den Rest, ihr
Richter, von dem sowohl ihr als auch das römische Volk nicht zum ersten Mal
hören werdet/wird und wovon die Kunde bei den auswärts wohnenden
Völkerschaften bis zu den äußersten Landen gelangt ist: Einen
Kerzenständer, der aus den herrlichsten Edelsteinen perfekt angefertigt
war, hatten die Prinzen, von denen ich spreche, nach Rom gebracht, um ihn im
Kapitol aufzustellen. Da sie den Tempel noch nicht fertig angetroffen hatten,
konnten sie ihn nicht aufstellen. Damit er zum richtigen Zeitpunkt
großartiger wirkte, wenn sie ihn im Altarraum des Jupiter aufstellten und
wenn seine Schönheit frisch und neu vor die Augen der Menschen käme,
entschlossen sie sich, ihn wieder nach Syrien mitzunehmen. Und sobald sie
gehört hätten, dass das Bildnis des Jupiter geweiht sei, würden
sie Abgesandte senden, die mit anderen Dingen das außerordentliche und
sehr schöne Geschenk zum Kapitol brächten. Ich weiß nicht, auf
welche Weise diese Sache zu den Ohren des Verres kam; denn der König hatte
gewollt, dass es geheim gehalten wird, nicht aus Befürchtungen, sondern
damit es nicht viele früher sehen könnten als das römische Volk.
Jener (Verres) verlangte ihn vom König und fragte mehrmals, ob er (der
König) ihn (den Leuchter) zu ihm (dem Verres) schicken könnte. Er
wünsche ihn zu sehen und er werde nicht anderen die Gelegenheit geben ihn
zu sehen. Weil Antiochus in grenzenloser Naivität und
Großzügigkeit keine Bosheit von Verres vermutete, befahl er seinen
Dienern den Leuchter eingewickelt und so geheim wie möglich in das
Amtsgebäude von Verres zu bringen. Nachdem sie ihn dorthin gebracht hatten
und die Umwicklung entfernt hatten, kam der Leuchter zum Vorschein. Sie stellten
ihn auf und Verres fing an bewundernde Rufe von sich zu geben, sie Sache sei
würdig zum Königreich Syrien zu gehören, sie eigne sich als
königliches Geschenk und für das Kapitol. Dieser mußte
nämlich glänzen, weil er von solcher Pracht und von schönen
Edelsteinen war, von einer solch vielfältigen Verzierung, dass die
aufgewandte Kunst zu wetteifern schien mit dem Wert des Materials. Er war von
solcher Größe, dass man erkannte, dass er nicht zum Gebrauch von
Menschen, sondern dass er als Geschenk für den berühmtesten Tempel
gedacht war. Als den Dienern scheint, dass Verres den Leuchter genau genug
angesehen hat, beginnen sie ihn wegzunehmen, um ihn zurückzubringen. Verres
sagte, er wolle ihn immer und immer wieder ansehen, er sei noch nicht
gesättigt. Er befiehlt ihnen, zu gehen und den Leuchter
zurückzulassen. Uns so kehrten sie damals mit leeren Händen zu
Antiochus zurück.
[29] Der König befürchtete
zunächst nichts, er dachte sich nichts Böses; ein Tag, auch ein
weiterer, viele (vergingen) und er wurde nicht zurückgebracht. Darauf
schickte er seine Diener, dass Verres ihn zurückgebe, wenn es ihm recht
sei. Dieser befiehlt, dass sie später zu ihm zurückkehren sollten. Dem
König erschien es seltsam. Er schickte sie ein zweites Mal, doch Verres
gab ihn nicht zurück. Er sprach den Mann persönlich an und bat ihn,
den Leuchter zurückzugeben. Jetzt hört, was der Mann für ein
Gesicht machte und hört seine Unverschämtheit. Weil er wusste und da
er es von dem König selbst gehört hatte, dass der Leuchter auf dem
Kapitol aufgestellt werden sollte und das, was er für den Jupiter und das
römische Volk zurückbehalten wurde, bat er ihm zu schenken und begann,
ihn sehr dringend aufzufordern.
Als Antiochus sagte, dass er sowohl durch die Ehrfurcht
vor dem capitolinischen Jupiter als auch durch die Meinung der Menschen
gehindert werde, da viele Völker Zeugen seines kunstreichen Geschenkes
seien, begann Verres, dem Mann aufs heftigste zu drohen.
Als er sah, dass er weder durch Drohen noch durch Bitten
bewegt wird, befahl er dem Mann ganz plötzlich, die Provinz ehe es dunkel
wird zu verlassen. Der König begann bei einer großen Versammlung auf
dem Marktplatz zu schreien – dass nicht irgend jemand meint, ich bewege
mich in dunklen Beschuldigungen und ich dichte an die Geschichte, aufgrund von
Vermutung einiger Leute hinzu – er weinte und flehte auf dem Marktplatz
in Syrakus die Götter als Zeugen an. Der Kerzenständer aus
Edelsteinen, den er aufs Kapitol schicken wollte, von dem er wollte, dass er auf
einem berühmten Tempel aufgestellt wird als Erinnerung seiner Freundschaft
zum römischen Volk, den habe Gaius Verres ihm geraubt. Um die übrigen
Kunstgegenstände, die aus Gold und Edelsteinen (gefertigt) sind, die ihm
gehören und bei Verres seien, gebe er sich keine Mühe, aber, dass ihm
dieser (der Kerzenständer) geraubt werde, sei schlimm und unverdient.
Obwohl der Leuchter bereits früher schon, in seinem Bewußtsein und
den Gedanken seines Bruders geweiht worden sei, gebe, schenke und weihe er ihm
trotzdem dem Jupiter Optimus Maximus jetzt in dieser Versammlung aus
römischen Bürgern und für seine Absicht und seine
Frömmigkeit rufe er Jupiter persönlich als Zeuge an.
Dann meinte er, nachdem dieses schändliche
Verbrechen begangen war, dass er in ganz Sizilien nichts Heiliges und
Unantastbares vorhanden sei. So verhielt er sich in dieser Provinz drei Jahre
lang, dass man glaubte, er habe nicht nur den Menschen, sondern auch den
unsterblichen Göttern den Krieg erklärt.
|